Nicht nur Nationalparks, sondern auch Museen sind im amerikanischen Westen einen Besuch wert. Acht Meilen westlich der Stadt Elko, Nevada, kann man in die Geschichte der frühen Siedler eintauchen und den Pionier-Alltag auf dem California Trail hautnah miterleben. Man erfährt alles über deren Hoffnungen, Träume und Strapazen, denen sie sich aussetzten, um ein neues Leben zu beginnen.
Im California Trail Interpretive Center wird die Vergangenheit zur Gegenwart und man wird Zeitzeuge der Pionierzeit. Geschichte zum Anfassen mit einer Vielzahl von eindrucksvollen Ausstellungen, interaktiven Audio- und Videopräsentationen, Filmen und Artefakte aus dem 19. Jahrhundert erwarten uns hier. Wer wirklich wissen will, wie es damals war, ist hier an der richtigen Stelle. 20 Millionen Dollar hat es gekostet das Projekt zu realisieren. Seit der Eröffnung im Juni 2012 werden dort wichtige Fakten der amerikanischen Geschichte an die Allgemeinheit weitergegeben. Die Außenanlagen verschaffen einen authentischen Überblick darüber, wie das Leben damals aussah. Planwagen, gesattelte Pferde und Pioniersfrauen in langen Röcken, spiegeln das Bild für Western-Romantiker perfekt wider. Auf detailgetreue Nachbildungen wurde besonderer Wert gelegt.
Die Besiedlung der USA vollzog sich von Osten nach Westen. Als europäische Immigranten an den Küsten des amerikanischen Kontinents ankamen, blieben die meisten eine Weile an der Küste, um später in Richtung Westen aufzubrechen. Der California Trail war während des 19. Jahrhunderts eine der Hauptrouten für Siedler und Goldsucher aus den Staaten östlich des Missouri River, durch den Mittleren Westen in den Westen der heutigen USA. Bei Fort Hall, in der Nähe des heutigen Pocatello, Idaho, an der Gabelung des „Raft River“ mit dem „Snake River“, trennt sich der Trail vom „Oregon Trail“ und am „Humboldt Sink“ teilte sich der California Trail noch einmal, und zwar in die „Truckee River Route“ und „Carson River Route“. Der Verlauf des California Trail und die Wahl der einzelnen Routenmöglichkeiten hing vom Startpunkt im Osten und dem Zielort in Kalifornien ab. Die Hauptroute des Trails durch die „Great Plains“ war identisch mit dem Oregon- und dem Mormon Trail. Hinzu kommen Teilstücke und Abzweigungen, sodass die Länge zwischen 3500 und 8000 Kilometern variiert. Die Planwagenkolonnen verbrachten zwischen vier und sechs Monaten auf der Strecke; so lange war die freie Natur ihr Zuhause. Die Bibliothek des Museums verfügt über detailliertes Kartenmaterial, mit dem man den Streckenverlauf genau verfolgen kann. Über 600 Bücher und Tagebücher, mit Aufzeichnungen die sowohl herzzerreißend als auch erschütternd sind, stehen den Besuchern zur Verfügung. Hier ein wenig Zeit zu verbringen, lohnt sich wirklich.
Gründe für den Aufbruch nach Westen gab es viele. Von 1848 bis 1854 war es der Kalifornische Goldrausch. Am 24. Januar 1848 fand James Marshall beim Bau einer Sägemühle in Coloma, Kalifornien, per Zufall Gold im American River. Der Fund konnte nicht geheim gehalten werden und schon bald suchten viele nach dem schnellen Glück im Westen, was eine der größten Völkerwanderungen in den Vereinigten Staaten auslöste. Bis dahin war das abgelegene Kalifornien für den wohlhabenderen amerikanischen Osten eher unbedeutend. Falls die Abenteurer es schafften, Indianerland heil zu überqueren und die natürlichen Bedrohungen der Wüste Nevadas, wie z.B. Schlangen, zu überstehen, hieß das noch lange nicht, dass sie auch reich wurden. Manche fanden einen dicken Brocken des wertvollen Edelmetalls und waren auf einen Schlag steinreich. Andere schaufelten mit Blechpfannen Sand aus dem Fluss und sammelten mühsam kleine Stückchen im Lederbeutel. Schnell bildeten sich Goldgräberstädtchen mit Geschäften, Spielhöllen und Saloons, wo die Arbeiter ihr Gold und Geld meistens für Kleidung, Lebensmittel und Alkohol ausgaben.
Die echten Gewinner und Millionäre waren deshalb oft die Geschäftsleute, wie z.B. der aus Deutschland stammende Levi Strauß, der schnell herausfand, dass die Goldsucher robuste Kleidung brauchten und so wurde die Levis Jeans geboren. Als die Fundplätze am Fluss ausgeschöpft waren, übernahmen Bergwerksgesellschaften den industriellen Abbau von Gold. Später verwandelten sich die Siedlungen zu menschenleeren Geisterstädten. Die Menschen zogen weiter, lebten in Lagern unter unhygienischsten Zuständen und viele starben an Seuchen. Das Trail Center hat eine beeindruckende Ausstellung zu dieser Ära.
Der Wunsch nach Freiheit und die Hoffnung auf ein besseres Leben im gelobten Land, war wahrscheinlich der wichtigste Grund, sich auf das Wagnis einzulassen. Hinzu kam das Heimstättengesetz (Homestead Act), das der republikanische US-Präsident Abraham Lincoln am 20. Mai 1862 unterzeichnete. Es versprach jedermann 65 Hektar kostenloses Land im Westen, wenn man sich für eine Gebühr von zehn Dollar registrierte und sich bereit erklärte, das Land fünf Jahre lang zu bewirtschaften. Die USA befindet sich zu dieser Zeit noch im Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaaten. Trotzdem wächst der Strom der Pioniere, die sich im Planwagen mit all ihrem Hab und Gut auf eine abenteuerliche Reise ins Ungewisse machen. Im Rahmen des Heimstättengesetzes wurden bis 1900 ca. 600.000 Anträge auf Farmland genehmigt. Zahlreiche Anwärter waren eingewanderte Mitteleuropäer, unter denen sich auch viele Deutsche befanden. Die kostenfreie Verteilung von Farmland wurde erst 1976 eingestellt.
Ein Volkslied mit dem Titel „Uncle Sam’s Farm“ ermutigte die Immigranten. US steht für United States. Im Refrain heißt es: Uncle Sam ist reich genug, er schenkt uns allen eine Farm.
Doch „Go West“, stellte sich als eine gefährliche Reise heraus. Karawanen sammelten sich und machten sich auf den Weg in die Ferne. Maultiere, Ochsen, später zogen dann auch Pferde die Planwagen und wurden in klebrigen Sand eingehüllt. Knarrend rollen die eisenbeschlagenen Räder über die sandigen unwegsamen Pfade, die Wagenachsen krächzen unter dem Gewicht der Ladung, Kinder schreien und Frauen versuchen sie zu beruhigen. Ein tapferer Mann reitet voraus und kundschaftet die Gegend aus. Doch schon bald lauerten die ersten Gefahren, als Zivilisation und Ödland aufeinandertreffen. Das Land, das die Regierung verteilt, gehört den Indianern. Zunächst verlangen die Indianer nur Wegezoll, wie sie es bei Pelzhändlern zuvor auch getan haben. Doch schon bald wehrten sie sich natürlich und wollten die zunehmende Anzahl der weißen Eindringlinge vertreiben, die ihr Land in Besitz nehmen wollen.
Auch das Wetter zog einigen Siedlern einen Strich durch die Rechnung und erschwerte die Expedition. Starke Regenfälle, heftige Stürme und Schlamm brachten Planwagen, besonders in den „Great Plains“ (östlich der Rocky Mountains), zum kippen. Oft fehlten die richtigen Werkzeuge, um die Fahrt fortzuführen. Ein weiteres Problem war Hitze und Wassermangel als auch Kälte. Hinzu kamen Krankheiten wie Cholera und Typhus, die für eine Dezimierung der Pioniere sorgten, die niemals ihr Ziel erreichten.
Aufgrund des Heimstättengesetzes wurde die Kultur der Indianerstämme so gut wie ausgelöscht. Mitte des 19. Jahrhunderts zogen die Siedlertrecks unter Militärschutz durchs Indianerland und gründeten kleine Dörfer. Die Indianer haben kaum Chancen, die Weißen zu besiegen. Die Häuptlinge kapitulieren und können ihre Völker nicht mehr versorgen. Aber nicht nur Kämpfe sondern auch Krankheiten wie Masern und Pocken, die die Siedler mitgebracht haben, schwächen das Immunsystem der amerikanischen Urvölker. Auch der Goldabbau trug seinen Teil dazu bei, weil so viel Quecksilber in die Wasserversorgung gelang, dass diese teilweise vergiftet war. Die Büffel wurden ebenfalls fast ausgerottet und in harten Kriegen flossen Unmengen an Litern von Blut. An dieser Stelle stellt sich die Frage: Wofür?
Denn die neuen Landbesitzer erreichten Gegenden, in denen sie zu Beginn ganz alleine waren und keine Hilfe hatten. Sie fällten Bäume, bauten Blockhütten und Möbel und geschlafen wurde meist auf Moos. Das fruchtbare, grüne Paradies Kaliforniens war nur eine Illusion. Sie mühen sich ab, den kargen Boden urbar zu machen. Das Überleben war fast unmöglich. Einige schaffen es, sich am richtigen Ort niederzulassen und mit harter Arbeit und ein wenig Glück wird die Hoffnung auf die Farm oder Ranch zur Wirklichkeit. Etwa die Hälfte der Siedler geben ihr Land wieder zurück und der amerikanische Traum bleibt genau das, ein Traum.
Eine weitere beeindruckende Dokumentensammlung und Musterschau findet man zum Pony Express, der damalige Postbeförderungsdienst. Die Postboten waren zu Pferd unterwegs. Gesucht wurden: „Junge drahtige Gesellen, nicht älter als 18 Jahre und nicht schwerer als 60 Kilogramm. Erfahrene Reiter, bereit täglich den Tod zu riskieren. Waisen bevorzugt.“ So in etwa war damals der Wortlaut der Stellenanzeige in einer amerikanischen Tageszeitung. Die Boten beförderten Post von St. Joseph in Missouri über die Rocky Mountains nach Sacramento in Kalifornien. Im Schnitt übergab ein Reiter seine Fuhre nach etwa 80 Kilometern. Die Postübergabe durfte nicht länger als zwei Minuten dauern. Für die gesamte Strecke von etwa 3200 km wurden zwischen 75 und 100 Ponys und 40 Reiter benötigt. Pferde wurden öfter gewechselt als Reiter. Wenn alles gut ging, waren sie in ca. zehn Tagen am Ziel. Da auch diese Route durch Indianergebiet führte, kam es immer wieder zu Verzögerungen. Pferde und Reiter stießen aufgrund der anstrengenden Wegbedingungen sehr schnell an ihre Leistungsgrenzen. Auch finanziell war das Projekt kein großer Erfolg und wurde am 22. Oktober 1861, nach etwas mehr als einem Jahr eingestellt. Einer der berühmtesten Reiter des Pony Express war Buffalo Bill. Er war ein bekannter Bisonjäger, Indianerkrieger und mit seiner Wildwest Show zog er durch die Lande und hinterließ damit einen Mythos.
Das California Trail Interpretive Center ist ein Stück Geschichte zum Miterleben. Der Eintritt ist frei. Es lohnt sich vor dem Besuch auf der Webseite nach Sonderaktionen zu schauen. Wechselnde Ausstellungen mit Skulpturen, Wandmalereien oder Workshops werden jedes Jahr neu ins Programm aufgenommen. Das Museum und Veranstaltungszentrum bietet aber nicht nur Historisches, sondern ist auch Ausgangspunkt und Anlaufstelle für Natur- und Kulturevents. Einen Abstecher in den Museumsshop sollte man unbedingt machen. Man findet viel Interessantes, Ausgefallenes von gestern und heute.
Rund um das Center befinden sich übrigens auch sehr gut ausgebaute Wanderwege. Sie sind gut beschildert und faszinieren mit spektakulärer Aussicht auf die Ruby Mountains, den South Fork Canyon und den Humboldt River. Es gibt reichlich Sitzmöglichkeiten, sodass man nach dem Ausflug in die Siedlergeschichte noch ein schönes Picknick in freier Natur genießen kann.
California Trail Interpretive Center
1 Trail Center Way, Elko, NV 89801
Tel: 775- 738-1849
www.californiatrailcenter.org