Valles Caldera

Valles Caldera – Ein Naturerlebnis besonderer Art

Der US-Bundesstaat New Mexico gilt als beliebtes Reiseziel für Naturliebhaber. Einzigartige Landschaften und eine aussergewöhnliche Pflanzenwelt verzaubern die Besucher ebenso wie die Gastfreundlichkeit und die gelassene Lebensart der Bewohner. Eine beeindruckende Region, im mittleren Nordwesten des Staates und inmitten der Gebirgskette der Jemez Mountains gelegen, ist das Vulkangebiet Valles Caldera.

Caldera ist das spanische Wort für Kessel. Die kesselförmige Struktur vulkanischen Ursprungs bildet sich, wenn ein Vulkanberg entstanden ist unter dessen Zentrum eine leere Magmakammer liegt. Durch die leere Kammer kommt es zum Einsturz. Der Vulkan fällt in sich zusammen und es entsteht eine Caldera, die die Form eines Kessels hat. Calderen sind dementsprechend runde vulkanische Kollapskrater, die eine Grösse von 20 bis 60 Kilometer aufweisen.

Entstehung

Valles Caldera entstand durch zwei grosse Eruptionen vor über einer Million Jahren. Die Auswurfmenge betrug mehr als 600 km³. Deshalb zählt das Gebiet zu den sogenannten „Supervulkanen. Acht davon findet man in den Vereinigten Staaten und 15 weitere weltweit. Supervulkane definieren sich dadurch, dass ihre Ausbrüche 10 bis 1000 Mal stärker ausfallen als gewöhnliche Vulkane. Ein solches Ereignis hat die Menschheit in historischer Zeit noch nicht erlebt. Beim Ausbruch eines solchen Vulkans werden Asche, Staub, Gestein und Schwefelgase in die Atmosphäre geblasen, sodass die Sonneneinstrahlung blockiert wird, die Temperaturen drastisch sinken und so nahezu alle Ökosysteme zusammenbrechen.

Valle Grande
Photo: Rourke McDermott

Der Blick von oben auf das spektakuläre Tal der Caldera verrät nichts von den unheimlichen Ereignissen, die in der Vergangenheit stattgefunden haben. Alle Farben der unterschiedlichen vulkanischen Substanzen spielen sich ab. Die steil abfallenden Kraterwände haben eine Höhe von mehr als 300 Metern und die Farbpalette des Tuffgesteins – dem Auswurfprodukt von Vulkanen – reicht von fast weiss über braun bis hin zu rot. Der Durchmesser des gesamten Areals beträgt 22 km und ist unterteilt in verschiedene Valles; das spanische Wort für Täler ohne Bäume. Valle San Antonio, Valle Toledo, Valle de los Posos, Valle Jaramillo, Valle Seco, Valle Santa Rosa; das grösste davon ist Valle Grande mit einer Länge von zehn und einer Breite von sechs Kilometern.

Valles Caldera ist einzigartig in geologischer, archäologischer und ökologischer Hinsicht. Das über 220 000 m² grosse Gebiet war bis ins Jahr 2000 Privatbesitz. Jetzt ist der Naturpark in staatlicher Hand und seitdem werden zahlreiche Studien und Erhebungen gefördert, die Aufschluss über vergangene Landschaften und die heutige Flora und Fauna geben sollen. Die Veranstaltungen und Besucherzahlen werden begrenzt, damit die Natur möglichst unberührt bleibt und jeder Gast die Landschaft und Tierwelt ungestört geniessen kann.

Aktivitäten im Park

Zu den zahlreichen Aktivitäten gehören unter anderem: Wandern, Mountainbiking, Reiten, Angeln, Marathonlauf, Jagen und Skilaufen. Bei Sonderveranstaltungen, wie z.B. Fototouren, sind die Teilnehmerzahlen ebenfalls limitiert und das Los entscheidet. Valles Caldera ist auch eine begehrte Wintersportregion für Langlauf und Schneeschuhwandern. Besonders beliebt sind Pferdeschlittenfahrten. Eingepackt in eine warme Decke geht die Abenteuerreise durch eine herrlich glitzernde Winterlandschaft. Die höchste Erhebung im Park ist der Redondo Peak mit fast 3500 Metern. Für die in der Region lebenden Indianer ist der Berg ein Heiligtum, weil dort ihr Donnergott seinen Wohnsitz hat. Der Gipfel darf von Wanderern nicht bestiegen werden.

Valles Caldera Tipi

Weite Graslandschaft, sanfte Hügel, dichte Wälder, sich leise windendende Bächlein machen das Naturschutzgebiet besonders attraktiv für Filmaufnahmen. Nach „Fluch der Karibik hat sich das Erfolgsteam mit Produzent Jerry Bruckheimer, Regisseur Gore Verbinski und Hauptdarsteller Johnny Depp für ein neues Filmabenteuer zusammengetan. Ein Teil der Dreharbeiten zum Film „Western Lone Ranger fand diesen Sommer in Valles Caldera statt. Johnny Depp’s Tipi, ein Zelt aus einem Stangengestell mit einer Feuerstelle, befindet sich noch immer am Eingang des Besucherzentrums und ist für jedermann zugänglich.

Auf meiner Reise über den Highway Nr. 4 nach Valles Caldera fahre ich durch wunderschöne Espenwälder am Jemez River entlang und erreiche in den Jemez Mountains das kleine Dorf Jemez Springs mit 250 Einwohnern. Ein Ort, der etwas in der Zeit stehen geblieben ist – 70er Jahre hippiemässig und total relaxt. Bekannt ist Jemez Springs in erster Linie durch seine heissen Mineralquellen.

Die weiterfühernde Strasse ist kurvenreich und für amerikanische Verhältnisse sehr schmal. Picknick- und Campingplätze, Ruinen einer indianische Pueblosiedlung, eine spanische Missionskirche aus dem 17. Jahrhundert, das Bodhi Manda Zen Buddhisten Center und atemberaubende Canyons laden zu vielen Fotostopps ein. Ungewöhnliche Kalksteingebilde wie der Soda Dam, ein Damm, der quer zum Tal verläuft und eine natürliche Grenze für den Jemez River bildet, bestimmen die Landschaft. Die abgelagerten Travertin-Marmor-Schichten am Soda Dam stammen aus dem Grundwasser des Valles Caldera-Gebiets. Der Fluss ergiesst sich über einen Wasserfall weiter ins Tal.

Sodadam

Je höher ich in die Berge fahre, desto dramatischer präsentieren sich die Felsen und Wälder. Durch starke Feuer in den vergangenen Jahren ist der Baumbestand reduziert. Verkohlte Stämme ragen als düsteres Mahnmal in den Himmel, dies hebt die Felswände besonders hervor. Langsam ziehen dicke Wolken auf, gefolgt von Hagel und Gewitter. Die Umgebung wirkt mystisch und kalt. Nach weiteren 10 Kilometern durch starkes Unwetter befinde ich mich am Eingang zum Naturschutzgebiet Valles Caldera. Wie ein Wunder löst sich die Wolkendecke auf. Die Sonne setzt sich durch und am Horizont bildet sich ein Regenbogen. Es regnet und gleichzeitig scheint die Sonne. Ich erreiche das Besucherzentrum und die Farben des Regenbogens lassen das Tipi von Johnny Depp in hellem Glanz erstrahlen.

Ich treffe mich mit Rob Dixon, dem Direktor für Freizeitaktivitäten im Park, der mich mit einem braunen Pickup Truck erwartet. Das Abenteuer kann beginnen. Wir fahren durch das Valle Grande und vor mir spielt sich ein unvergessliches Schauspiel ab: Wallende Bodennebel ziehen davon und die verschwommene Landschaft wird langsam klarer. Direkt vor uns fliegt ein Falke konzentrische Kreise. Es ist ein Peregrine Falcon (Wanderfalke), der in den Jemez Mountains lebt. Sein Jagdflug erreicht eine Geschwindigkeit von fast 200 Stundenkilometern. Wir passieren die fruchtbare leicht hügelige Wiesenlandschaft des Valle Grande. Goldene Herbstgräser wiegen im Wind. Die Sicht wird immer klarer. Nach etwa 4 Kilometern biegen wir in ein Waldgebiet. Rob hält an, um eine Gruppe von wilden Truthähnen den unbefestigten Weg überqueren zu lassen. Zwei Koyoten liegen im Gestrüpp bereits auf der Lauer und starten ihren Angriff. Lautes Geschnatter ertönt und die Truthähne retten sich in die Lüfte. Der Wald duftet nach der mächtigen Ponderosa-Kiefer, die in ihrer Heimat Nordamerika bis zu 90 Meter hoch werden kann und damit zur grössten Kiefernart der Welt gehört. In Europa dagegen erreicht sie nur ca. 20 Meter. Wir verlassen den Forst und gelangen ins Valle San Antonio. An einem Bachbett versammeln sich acht Menschen, die Bewegungen in kreis- und bogenförmigen Linien ausführen. Tai Chi Flyfishing (Tai Chi Fliegenfischen), klärt mich Rob auf. Beim Fliegenfischen wird das Gewicht der Angelschnur genutzt um den Köder zum Ziel zu bringen. Beim Tai Chi findet in jedem Schritt eine Gewichtsverlagerung statt. Der Wechsel von Anspannung und Entspannung in den Beinen sorgt für Körperbalance. Die positive Energie überträgt sich auf den Arm beziehungsweise die Angel und das Anglerglück ist so gut wie garantiert.

Festival der Hirsche

Eine der grössten Attraktionen im Valle Grande ist das Elkfestival, das jedes Jahr im Herbst zur Brunftzeit der Tiere stattfindet. Ich bin zur richtigen Zeit hier und kann es kaum erwarten, die Hirsche in Aktion zu sehen. Der Elk, auch Wapiti genannt, ist nicht wie so oft vermutet ein Elch, sondern ein Hirsch. Die Bezeichnung Wapiti stammt von den Shanee-Indianern und bedeutet Hirsch mit weissem Ende. Wapitis sind das am weitesten verbreitete Säugetier in der Region. Wapiti-Männchen oder Bullen wiegen bis zu 350 kg und haben eine Schulterhöhe bis zu 152 cm. Die Weibchen oder Kühe sind etwas kleiner und wiegen bis zu 250 kg. Wapitibullen sind aufgrund ihrer ausserordentlich grossen Geweihe ein beliebtes Fotomotiv. Die ersten Geweihe wachsen im Alter von einem Jahr und werden immer im Frühling wieder abgestossen. Das Wachstum des neuen Geweihs beginnt kurz danach. Die wachsenden Geweihe oder Gestelle sind mit einer dicken Hautschicht überzogen, die als „Velvet oder „Samt bezeichnet werden. Eine Hormonveränderung im Sommer beendet das Geweihwachstum und der Samt wird an Bäumen oder Felsen abgeschabt. Hirschgeweihsamt enthält viele Substanzen, darunter Aminosäuren, Mineralien, Hormone und entzündungshemmende Peptide, die für medizinische Zwecke verwendet werden. Die Paarungszeit (Brunft) ist im September und Oktober. Die Hirsche konkurrieren um den Harem. Der Bulle sucht das Rudel auf. Er markiert den Brunftplatz indem er mit dem Geweih Bodenvertiefungen schlägt und in die Erdkuhlen uriniert. Valles Caldera beheimatet rund 3000 Hirsche. Die grössten Feinde der Jungtiere sind Schwarzbären, Pumas und Koyoten.

Valles Caldera Elk Festival
Photo: Rob Dixon

Das Elkfestival ist keine kommerzielle Veranstaltung mit Verkaufsständen, sondern einfach ein Erlebnis für Tierliebhaber in freier Wildbahn.

Wir sind dem Hirsch in der Abenddämmerung auf der Pirsch und nach der nächsten Kurve verspricht mir Rob jede Menge Elks. Wir halten kurz an, bevor wir den Hügel hinunterfahren. Ich kann die röhrenden Hirsche bereits aus der Ferne hören. Wir bewegen uns ganz langsam weiter und es dauert nicht lange bis wir den Hirschen in freier Wildbahn begegnen. Das Rudel trifft sich an einem kleinen Bach. Der Bulle röhrt und aus dem nahgelegenen Wald ertönt die Antwort. Ein mutiger Jungbulle gallopiert aus dem Wald auf das Rudel zu. Hier beginnt das Ende jeder Männerfreundschaft. In der Paarungszeit werden gute Kumpel zu erbitterten Konkurrenten. Der mächtige Brustkorb des Platzhirsch-Herren wirkt wie ein starker Resonanzkörper. Weit tönt sein tiefer und langgezogener Ruf. Der Junghirsch ist offensichtlich eingeschüchtert und flüchtet. Der Sieger setzt mehrere laute Rufe nach und zieht mit seinem Harem davon.

Elk Festival Valles Caldera
Photo: Rob Dixon

Der Tag neigt sich dem Ende, die Sonne zieht sich zurück und färbt den Himmel in den schönsten Farben. Vor uns liegt das Valle Grande und erscheint wie ein endloses rotgoldenes Meer. Eine unfassbare Herrlichkeit aus Weite und Unberührtheit. Das Naturschutzgebiet Valles Caldera ist Natur in ihrer pursten Form. Faszination die sich schwer beschreiben, aber leicht erleben lässt.

Valles Caldera National Preserve
Highway 4 zwischen Los Alamos und Jemez Springs
Tel: 575-829-4100 * www.nps.gov/vall

Valles Sunrise
Photo: Dan Monaghan/NM Tourism

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