Tatanka – Buffalo Roundup

Wo kann man heutzutage noch Cowboys sehen, die peitschenknallend eine mehr als 1000-köpfige Herde Büffel vor sich her treiben? Das Buffalo Roundup im Custer State Park ist wohl die einzige Möglichkeit, ein solches Ereignis live zu verfolgen. Wenn der Staub aufgewirbelt wird, die Erde zu beben scheint und eine Welle aus zotteligen Fellrücken – getrieben von Cowboys auf schnaubenden Pferden – über die Prärie jagt, fühlt man sich leicht in den Wilden Westen versetzt.

Den Revolver Kaliber 22 trägt Chad Kremer stets griffbereit im Holster. Seit 2001 ist er für die Büffelherde des Staates South Dakota im Custer State Park verantwortlich. Die Waffe ist mit Vogelmunition geladen – für störrische Büffel. „Wenn ein, zwei Schüsse nicht helfen, kannst du nur noch hoffen, dass du ein schnelles Pferd hast“, lacht der Herr über eine Herde von mehr als 1400 Bisons. Den Revolver hat der Herd-Manager allerdings noch nie einsetzen müssen.

Als im September 2015 die Herde erfolgreich in den Korral getrieben wurde, war es das 50-jährige Jubiläum dieser jährlichen Prozedur in den Black Hills, im Südwesten von South Dakota. Die Aktion dient ganz nüchtern praktischen Zwecken der Viehwirtschaft. Sie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten aber auch zu einem Publikumsmagneten und Touristenattraktion entwickelt. Scharen von Zuschauern und Touristen kommen mittlerweile nicht nur aus den USA sondern aus der ganzen Welt, vor allem aus Europa.

Das Roundup beschäftigt Kremer fast das gesamte Jahr. „Wir legen die Größe der Herde fest, beobachten den Niederschlag und stellen dann eine Prognose für die nächste Saison darüber auf, wie viele Tiere der Park verkraftet“, erläutert er. „In meinen ersten sieben Jahren hatten wir eine Trockenheit, weshalb wir die Herde um 250 Tiere verkleinerten. Inzwischen haben wir sie wieder auf den normalen Stand von 1400 bis 1500 Tieren aufgebaut. Das bedeutet, dass wir mit knapp 1000 Büffeln in den Sommer gehen.

Der herbstliche Zusammentrieb dient mehreren Zwecken: Die Kälber erhalten das Brandzeichen des Staates – ein „S“ für South Dakota, kombiniert mit dem aktuellen Jahr. Zudem werden die Büffel untersucht, geimpft und sortiert. „Wir entscheiden dann, welche Tiere verkauft werden sollen. Damit haben wir etwa drei bis vier Tage Arbeit. Diejenigen Büffel, die nicht bei der Auktion im November verkauft werden sollen, werden wieder freigelassen“, sagt Kremer.

Mit dem Verkauf der Bisons an Züchter, Zoos und Schlachthäuser wird zum Teil der State Park finanziert. Eine andere Einnahmequelle sind die Besucher, die die Büffel häufig unterschätzen: „Die Tiere sehen zwar harmlos aus, sind aber gefährlich. Wenn Sie wollen, springen sie aus dem Nichts über einen Zaun. Wir können die Leute nur warnen. Manchmal bin ich überrascht darüber, welche verrückten Sachen man sieht.“ Tatsächlich ist es fast nicht möglich, während einer Tour, etwa auf der Wildlife Loop, durch den Custer State Park, den Bisons zu entgehen. Sie sind fast ständig in Bewegung und queren dabei die Straßen, ohne auf den Verkehr zu achten, was selbst in dieser abgelegenen Gegend hin und wieder zu Staus führen kann.

Der Ablauf des Roundups ist jedes Jahr gleich: Die Hauptarbeit haben Kremer und seine Männer bereits in den zwei bis drei Wochen vorher geleistet. Die Büffel sind bereits seit Tagen in einem etwa 1.5 km breiten und ca. 8 km langen Korridor, wenn die Cowboys ihnen den letzten Schub geben. Schließlich grasen die Büffel überall in dem 28.000 Hektar großen Schutzgebiet. Daran denkt an dem fraglichen, häufig sonnig-warmen, Herbstmorgen niemand der Beteiligten und auch die Tausende Besucher auf den umliegenden Hügeln fiebern nur dem sich anbahnenden Ereignis entgegen. Ähnliches gilt für die etwa 200 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die auf persönliche Einladung des jeweiligen Gouverneurs von South Dakota ein angesichts der Attraktionen in den Black Hills – Mount Rushmore, Crazy Horse Memorial oder die Wild Horse Sanctuary sind nur einige Beispiele – erfülltes Wochenende in der Region und in der State Game Lodge verleben.

Abgesehen von den ältesten und schwersten Bullen, die durch einen Zaun ferngehalten werden, wird die gesamte Herde von Reitern Richtung Korral getrieben. Die Reiter warten ungeduldig auf das Kommando des Herd-Managers, der sie per Funk koordiniert. Erst müssen kleinere Gruppen Büffel zur friedlich grasenden Hauptherde getrieben werden. Dann geht es richtig los: Unter Yipee-Yey-Rufen und Peitschenknallen setzen sich Pferde, Bisons und Fahrzeuge in Bewegung. Letztere unterstützen die Treiber und bieten einigen ausgewählten Besuchern auf der Ladefläche von Pick-Ups einen besonders intimen und abenteuerlichen Einblick in das Geschehen. In rasender Fahrt geht es über Stock und Stein. „Als Fahrer ist das Roundup viel, viel stressiger. Deine größte Angst ist, dass du einen Stein erwischst, den du nicht gesehen hast“, vergleicht Bob Schneider seinen Einsatz hinter dem Lenkrad eines der Trucks mit seinen Erfahrungen als Roundup-Reiter – und rumpelt mit seinem Gefährt trotz größter Mühe prompt über einen Felsbrocken.

In den vergangenen Jahren war Schneider einer von 20 Gast-Cowboys, die jedes Jahr unter etwa 100 Bewerbern ausgelost werden, um Kremers Leuten zu helfen. „Wir haben hier viele Steine, Erdlöcher, Senken und Hügeln. Deshalb ist es uns am liebsten, wenn die Pferde an solches Gelände gewöhnt sind. Und die Leute sollten für diesen Ritt ihr Pferd kennen“, nennt er die Bedingung für die Teilnahme. Diese stellt auch für erfahrene Rancher eine besondere Herausforderung dar. „Es war affengeil. Wenn ich dürfte, würde ich jetzt doch rein. So etwas habe ich vorher noch nicht erlebt. Es lief ziemlich reibungslos, auch wenn einige Bullen durchgegangen sind“, erzählt Cody Fastnacht, dessen Familie eine Büffelherde mit 200 Tieren besitzt. Er ist 1300 Kilometer gefahren, um beim Roundup mitzureiten.

Chad Kremer selbst reitet ein Quarterhorse, das er langsam an diese Aufgabe herangeführt hat: „Wir haben ihn beim Korral gelassen, als die Büffel kamen. Dann haben wir immer intensiver mit ihm gearbeitet. Mit fünf Jahren war er bereit.“ Derweil versucht Bob Schneider schnell auf die schmale Straße im Tal zu kommen, um die anderen einzuholen. Das gelingt relativ gut, da weiter vorne die Büffelherde den Weg kreuzt und sich ein Stau gebildet hat. Die Tiere haben es offenbar nicht besonders eilig, auch wenn sie durchaus eine längere Strecke mit 50 Stundenkilometer zurücklegen können. „Dann hängt ihnen die Zunge aus dem Hals. Nach nur fünf Minuten Pause können Sie wieder Rennen. Sie erholen sich schnell“, erläutert Kremer, der seine Reiter in drei Gruppen eingeteilt hat. „Wir haben verschiedene Stopps eingelegt. Etwa an der Talstraße, als ein Reiter von seinem Pferd fiel. Wir warteten bis alle für den nächsten push aufgestellt waren.“

Ein wichtiger Grund für die häufigen Pausen und das relativ geringe Tempo ist die Wärme. In manchen Jahren strahlen während des Roundups, das immer Ende September stattfindet, Sonne und der fast volle Mond vom blauen Himmel um die Wette und das Thermometer zeigt schon um 10 Uhr knapp 25 Grad an. Dann kommt es aber doch noch zu dem Anblick, auf den alle gewartet haben: Angetrieben vom Geschrei und den knallenden Peitschen der Horsemen, in das sich nun das Gejohle der Zuschauer auf den umliegenden Hügeln mischt, setzt sich die riesige Büffelherde in Bewegung. Mit donnernden Hufen rasen die Tiere über die Prärie und einen Hügel hinauf. Dahinter befindet sich bereits der Korral. Hier scheuen einige Bisons zurück, ihr Ausbruchversuch bleibt aber ohne Erfolg. Einige Cowboys drängen sie in die Gatter. Der Adrelaninspiegel bei Bisons, Cowboys und den Zuschauern geht zurück. Das Spektakel ist vorbei.

Nachdem die Pferde versorgt und mit einem Wasserschlauch abgekühlt wurden stärken sich die Reiter beim Chuckwagon Cookout mit einem Land aus Bohnen und Büffelfleisch für die kommenden Aufgaben. Schließlich ist dieser herbstliche Zusammentrieb der Büffelherde nicht in erster Linie eine Touristenattraktion. Als er vor fünf Jahrzehnten zum ersten Mal stattfand, hatten sich gerade mal 200 oder 300 Schaulustige auf den Hügeln verloren. Beim 50. Roundup rechnete man mit einer etwa 50-fachen Zuschauerzahl, aus aller Welt. Völlig offen ist jedoch, wie immer, die Frage, ob bei dem Büffeltrieb alles glatt gehen wird, oder ob es Verzögerungen gibt, wie jene von der Chad Kremer erzählt: „wenn wir keine richtige Reihe um die Herde bilden, kann es passieren, dass die Bisons in Holz gehen. Vor einigen Jahren hat es geschlagene 3 Stunden gedauert, bis wir sie zwischen den Bäumen herausbekommen haben.“ Der aufregende Alltag eines Herd-Managers.

Das nächste Buffalo Roundup findet am 29. September2017 statt.

Custer State Park * Tel: 605-255-4515
www.custerstatepark.com

South Dakota Office of Tourism
www.travelsd.com * Tel: 605-773-3301

So kommen Sie zum Buffalo Roundup:

Von Deutschland aus fliegen Sie am besten über Denver nach Rapid City. Von dort geht es weiter mit einem Leihfahrzeug, das Sie sich bereits in Deutschland reservieren sollten. Custer State Park liegt ca. 34 Meilen/54 km von Rapid City entfernt, inmitten der landschaftlich schönen Black Hills von South Dakota.

Photos: Chad Coppess @ South Dakota Tourism; Beate Kreuzer; Sonja Stimmer;


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