Mehr wilder Westen geht nicht
Deadwood – eine Stadt in South Dakota, die in den letzten 148 Jahren wiederholt dem Tod ein Schnippchen geschlagen hat. Schon der Name verrät, dass Deadwood alles erlebt und Dinge gesehen hat, die so manchen zum Erröten bringen würden.
Deadwood wurde nach einer Schlucht voll mit toten Bäumen benannt, in der in den 1870er Jahren die erste Welle von Bergarbeitern aus den Black Hills während eines des letzten großen Goldrausches des Landes lagerte und dabei einen Landvertrag mit den Lakota zunichte machte. Deadwood erlangte schnell den Ruf eine der rauesten, rüpelhaftesten und einträglichsten Goldgräberstädte des Grenzgebiets zu sein. Und, es sorgte als Stoff für einige der größten Namen der Westerngeschichte.
Wild Bill Hickok. Calamity Jane. Charlie Utter. Sie alle waren hier. Nicht immer für eine lange Zeit – oder eine besonders gute Zeit. Wenige Wochen nach seiner Ankunft im Utter- Planwagenzug im Jahr 1876 wurde Hickok von dem spielsüchtigen Verlierer Jack McCall am Pokertisch mit einem Schuss in den Hinterkopf kurzerhand erschossen, als er (wie es heißt) zwei Paare, Asse und Achter hielt – für immer bekannt als das „Blatt des toten Mannes“.
Als ich das erste Mal in South Dakota war, kam ich nur zufällig nach Deadwood. Beim Durchfahren fiel mir auf, was für eine „tolles Städtchen“ das ist. Die vielen anschaulichen Kneipen, Restaurants, Saloons, die Hauptstraße strotzte nur so davon. Aber erst bei meinem zweiten Besuch lerne ich Deadwood richtig kennen.
Egal wohin man schaut, Deadwood ist voll von historischen Geschichten und Abenteuern. Diese Stadt ist eine wahre Überlebenskünstlerin. Und der wilde Westen herrscht hier noch genauso wie damals.
Wilde Vergangenheit
Deadwood hat eine bewegte Vergangenheit. 1876 gegründet und von Goldsuchern schnell bevölkert, als diese die Black Hills ausplünderten. Das Land gehörte den Indianern, die mit der Besiedlung nicht ganz einverstanden waren und so kam es zu heftigen Kämpfen zwischen Siedlern und den Sioux. Die Indianer verloren und wurden in Reservate verlagert. Starke Brände im Jahr 1879 und 1959 zerstörten Teile der Stadt, doch sie erholte sich immer wieder und entwickelte sich von einer Goldgräbersiedlung zu einer Minenstadt. Glücksspiel, Bordelle und Saloons entstanden wie aus dem Nichts. Knapp 1500 Einwohner leben hier, die heute von den ehemaligen Revolverhelden und Spielern profitieren.
Der schießwütige „Wild Bill Hickok“, tötete sieben Menschen in sechs überlieferten Schießereien. Die Wild West Heldin „Calamity Jane“ stand ihren Mann schon damals und verschaffte sich Respekt in einer von Männern beherrschten Welt. Sie rauchte, kaute Tabak, trank Whisky und fluchte wie eine Weltmeisterin. „Wyatt Earp“ galt als Gesetzeshüter und Revolverheld und wurde als Hauptfigur, unter anderem gespielt von Kevin Costner, in zahlreichen Filmen, Romanen und Biografien zur US-Legende. Dann gab es da noch „Doc Holliday“, von Beruf Zahnarzt, der dafür bekannt war, sein Glück am Spieltisch herauszufordern, sich gerne in eine Streitigkeit einmischte und einen notorisch nervösen Finger am Abzug hatte.
Als die berühmte Grenzgängerin Martha „Calamity“ Jane Canary im Alter von 51 Jahren ihrem letzten Alkoholrausch erlag, hatte sie entweder darauf bestanden, neben „dem einzigen Mann, den sie je geliebt hat“ – Wild Bill Hickok – begraben zu werden, oder ihre Beerdigungsplaner spielten Hickok einfach einen ewigen posthumen Streich, da sie sich nicht zu ihm hingezogen fühlten. Abgesehen von allen widersprüchlichen Theorien können Besucher des Mount Moriah Cemetery die beiden bekanntesten Mitglieder der Originalbesetzung von Deadwood ehren, die nun Seite an Seite an einem ruhigen Ort mit Blick auf die berühmte Schlucht der Stadt ruhen.
Deadwood’s Auferstehung
Deadwood würde natürlich weiterleben. Durch die Schließung von Bergwerken, die Prohibition, Überschwemmungen, mehrere verheerende Brände und bürgerliche Debatten über die Einführung des legalen Glücksspiels mit begrenzten Einsätzen (im Jahr 1989) hat sich Deadwood zu einer kleinen Gemeinde entwickelt, die heute mit den Steuereinnahmen aus den Kasinos sehr gut versorgt ist. Heute steht die gesamte Stadt unter Denkmalschutz und lockt mit ihren gepflasterten Straßen, den malerischen viktorianischen Pensionen, den Hotels mit Spielautomaten, den 1-Dollar-Trolleys, den gespenstisch schönen Nebenstraßen der Black Hills und den nachgestellten Schießereien, auf die Sie Ihre Uhr stellen können, viele Sommergäste an.
Wie in fast allen Wildwest Städten, gibt es auch hier inszenierte Duelle, die auf wahren Begebenheiten beruhen und ein echtes Schauspiel sind. Donnern Schüsse über die Main Street, liegen die Halunken in Sekundenschnelle mausetot auf dem Boden. Im „Saloon No. 10“, der eine der größten Whiskey-Auswahlen des Staates und Hickoks angeblich letzte Pokerhand „Death Chair“ an der Wand beherbergt, wird der Westernheld „Wild Bill“ beim Pokern bereits zum hunderttausendsten Mal hinterrücks erschossen und fällt auf den mit Sägespänen bedeckten Boden. Auf den Schreck wird erst mal ein Whisky getrunken; am späteren Abend ist alles vergessen und man vergnügt sich bei Livemusik.
Als der Ort fast zur Ghost Town wurde, haben die Einheimischen sowohl das Glücksspiel angekurbelt als auch nach dem Vorbild von „Buffalo Bill“ eine Show gestartet. „Days of 76 Parade“ ist eine jährliche Veranstaltung, die Ende Juli stattfindet und die Stadt aus allen Nähten platzen lässt. Der Friedhof, Mount Moriah Cemetery, befindet sich südöstlich, teilweise in Hanglage und ist in die typische Landschaft der Black Hills eingebettet. Die schönsten Grabmäler sind die Ruhestätten der einstigen Revolverhelden.
Von Mai bis September kann man die Broken Boot Gold Mine besichtigen. Der kleine Ausflug unter die Erde in eine mysteriöse Erlebniswelt und macht wirklich Spaß. Hier schlummern weiterhin Schätze und gegen einen kleinen Aufpreis kann man sein Glück als Goldsucher probieren, den Entdeckergeist vergangener Tage aufleben lassen und vielleicht ein Goldklümpchen mit nach Hause nehmen. Hat es nicht geklappt, bleibt die Möglichkeit in einem der alten Saloons ein Bierchen zu trinken und in einem der Casinos erneut das Glück zu versuchen.
Deadwood’s wilder Westen lebt weiter
Das Adams House in der Van Buren Street 22 ist ein vollständig restauriertes Herrenhaus im Queen-Anne-Stil, das von mehreren Gründerfamilien bewohnt wurde. Bunte Verglasungen und Möbel in viktorianischem Stil kann man in einer 45-minütigen Führung bewundern. Im 1930 gegründeten Adams Museum in der Sherman Street findet man ausgefallene Exponate wie Goldklumpen, Waffen und Lokomotiven, die einen tieferen Einblick in die Geschichte und ihre schillernden Figuren bieten. Es beherbergt eine Nachbildung von Deadwoods Kronjuwel, dem riesigen Goldnugget von Potato Creek Johnny, sowie den geheimnisvollen verschlüsselten Thoen Stone, Skizzen von James Butler „Wild Bill“ Hickok und die beste Ausstellung von Erinnerungsstücken der Stadt. Das Days of ’76 Museum am Seventy Six Drive beherbergt die bedeutendsten Sammlungen von Minen-Werkzeugen, Western- und Indianerartefakten der Region sowie eine beeindruckende Flotte von mehr als 50 historischer Pferdefuhrerken.
Die charmant renovierte Westernstadt hat weiterhin alles zu bieten, was es früher schon gab: Shopping, Sightseeing und Spielen. Entlang der historischen Hauptstraße findet man viele nette kleine Läden, die zum Durchstöbern einladen sowie gemütliche Restaurants und Bars. Im Besucherzentrum und im Rathaus liegen Broschüren für eine Walking Tour aus.
Deadwood ist der nördlichste Punkt des 175 Kilometer langen Mickelson Trails. Man kann Reiten, Wandern oder auch Radeln. Die ehemalige Bahnstrecke führt über Bäche, vorbei an historischen Bergwerksgebäuden und beeindruckenden Steinformationen, die besonders bei Sonnenauf- und Sonnenuntergang spektakuläre Farbenspiele bieten.
Von Deadwood ist es auch nicht weit zu den besten Sehenswürdigkeiten von South Dakota – Mount Rushmore, Crazy Horse Memorial, Badlands Nationalpark, Custer State Park und die faszinierende Landschaft der Black Hills. Eine besonders schöne Strecke findet man auf dem Highway 14A nach Norden, der eine dramatische Schleife durch die Canyons zwischen Deadwood und Spearfish im Norden der Black Hills macht.
Die Westernstadt, die durch die gleichnamige Fernsehserie noch mehr Ruhm erlang, ist ein idealer Ausgangspunkt für einen aufregenden Road Trip in South Dakota.